Die post-agile Organisation

Die post-agile Organisation

Thesen für die Sozialwirtschaft

© iStock.com/Mihaela Rosu

Die agile Organisation ist je nach Perspektive eine Modeerscheinung oder ein Gamechanger. Aus organisationswissenschaftlicher Sicht kann zunächst festgestellt werden, dass das Konzept der agilen Organisation in zahlreichen Organisations- und Führungsmodellen wurzelt und im 21. Jahrhundert gesellschaftliche Rahmenbedingungen vorfindet, die es attraktiv machen, diesen Ansatz in vielen Branchen auszuprobieren. Zugleich ist eine Entwicklung hin zur postagilen Organisation sichtbar. Die nachfolgenden Thesen gehen diesem Phänomen nach.

 


  1. Ein Problemaufriss
    • Angesichts der „neuen Unübersichtlichkeit“ (K. Grunwald) in der Sozialwirtschaft experimentieren sozialwirtschaftliche Unternehmen mit agilen Konzepten und Methoden.
    • Die (post-)agile Organisation basiert auf diversen Organisationskonzepten (z.B. Soziokratie, lernende Organisation, agiles Manifest).

 

  1. Agilität. Ein Definitionsversuch
    • Agilität ist die Anpassungsfähigkeit einer Organisation und ihrer Mitglieder an volatile Umweltanforderungen im Hinblick auf eine Zweckorientierung.
    • Der Zweck wird in den klassischen Ansätzen der Agilität als Formalziel „Effizienz“ beschrieben und in den post-agilen Konzepten als Sachziel, wie z.B. „Nachhaltigkeit“ oder „Nächstenliebe“, definiert.
    • Agilität sucht nach der optimalen Formalstruktur, wohingegen die post-agile Organisation um die Kontingenz der Formalstruktur weiß und mit dieser Ungewissheit produktiv arbeitet.

 

  1. Merkmale, Funktionen und Folgen. Eine Systematisierung
    • Der Purpose orientiert die organisationalen Entscheidungen, reduziert dadurch Komplexität und motiviert die Organisationsmitglieder. Die Lösungsprobleme sind eine Tendenz zur „Renaissance der Zweckrationalität“ (S. Kühl) und eine größere Abhängigkeit von den Organisationsmitgliedern.
    • Die Ent-Bürokratisierung bedeutet, dass es weniger starre Regeln und Konditionalprogramme gibt, um mehr Flexibilität für die Organisationsmitglieder zu ermöglichen. Die Dezentralisierung und die Ent-Hierarchisierung zielen darauf, Kollaboration, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung sowie Motivation zu fördern. Lösungsprobleme sind die Verunsicherung der Organisationsmitglieder und eine überzogene Re-Formalisierung.
    • Das Merkmal Lernen bezieht sich auf das individuelle und kollektive Lernen in Schleifen. Darüber hinaus geht es auch um das Lernen der Organisation auf der Meta-Ebene. Das Lösungsproblem besteht darin, dass aus einem prozessualen ein instrumentales Organisationsverständnis wird.
    • Die postagile Organisation kann als lernende und selbstorganisierte Purpose Driven Organization bezeichnet werden.
      • Die post-agile Organisation gibt es nicht. Vielmehr geht es um diverse, selbstorganisierte und experimentelle Neugestaltungen bis zur radikalen Infragestellung organisationaler Praktiken.
      • Die Organisation ist permanent im Werden.

 

  1. Fazit
    • Die post-agile Organisation hat zahlreiche Wurzeln in der Tradition postbürokratischer, entwicklungsoffener, demokratischer und sinnstiftender Organisationskonzepte.
    • Sie ist kontinuierlich auf der Suche nach situationsangemessenen Formalstrukturen, ohne diese als den bestmöglichen Weg absolut zu setzen.
    • Diese Suche wird orientiert durch „wertaufgeladene Zwecke“ (A. Strothotte), die über ein Formalziel hinausgehen und ein moralisches, gesellschaftliches oder religiöses Sinnversprechen formulieren.

 

Thesenpapier: Die post-agile Organisation

 

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